Willkommen beim Arheilger Geschichtsverein e.V.

Auszug Gebäude, Orte und Ereignisse in Arheilgen

  • Einladung Bilder-Vortrag

    Streiflichter auf die Geschichte der Arheilger Arbeiterbewegung

  • „Oarhelljer Köpp“ Rudolf Heinrich Bohl – Kindheit und Leben in der Messeler Straße (Folge 3)

    (jhb) Der Arheilger Geschichtsverein stellt in dieser Rubrik Menschen vor, die das Leben im Ort am Ruthsenbach prägten, über den vergangenen Alltag der Menschen berichten können oder Leistungen erbrachten, die sie über die Ortsgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. In einer kleinen Serie mit drei Folgen berichten wir nun über Menschen und Veränderungen in der Messeler Straße, an die sich Rudolf Bohl erinnern kann.

    Der Wandel von der betulichen Geschäftsstraße zur innerörtlichen Verbindungsstraße

    (jhb) Die Messeler Straße ist Arheilgens Hauptverkehrsader in Richtung Ost-West. Sie verbindet und durchläuft das Ober- und Unterdorf. Zwischen der Schreiberpforte im Westen und dem früheren Kerwe-Platz beim heutigen Mucker-Haus im Osten liegen die Zehntscheuer, das Pfarrhaus und die Kirche und bis zur Eingemeindung im Jahr 1937 das Rathaus. Danach waren dort die Bezirksverwaltung und später eine Polizeistation untergebracht. In der Messeler Straße standen die ersten Schulhäuser des Ortes, die Apotheke, zahlreiche Gaststätten, Handwerksbetriebe und Geschäfte. Wie hat sich die Straße verändert? Wie und wovon lebten die Menschen in früheren Jahrzehnten? Welche Ereignisse prägten das Leben der Anwohner? Wer kann heute noch von den großen Veränderungen berichten? – Wir sprachen mit Rudi Bohl,

    der seit fast 90 Jahren in dem freundlichen Haus mit der Hausnummer 26 in der Messeler Straße, frühere Dieburger Straße, lebt.

    Der große Wandel der Geschäftsstraße

    Noch im 19.Jahrhundert lagen an der Ost-West-Achse Arheilgens Werkstätten von Wagenmachern, Schlossereien und Schmieden, um die Hauptverkehrsmittel der Zeit, die Kutschen und Fuhrwerke, herstellen und reparieren zu können. Die alte Wagner-Werkstatt an der Ecke Messeler Straße/Rathausstraße und die ursprüngliche Wagnerwerkstatt Mampel – in der Messeler Straße 53 gelegen – waren zu Lebzeiten unseres Zeitzeugen bereits verschwunden. Doch es gab weiterhin Schmieden und Schlossereien, z.B. der Familien Lücker, Wesp und Goebel.

    Aus seiner Erinnerung kann Rudi Bohl noch zahlreiche weitere Geschäfte und Handwerksbetriebe benennen, die von seiner Kindheit bis Mitte der 50iger Jahre an der Messeler lagen. Hinzu kamen viele Gaststätten und landwirtschaftliche Betriebe.

    Die Geschäftswelt an der Messeler

    Das Geschäftsleben war bunt, es gab fast alles: Fisch Gimbel, später logierte dort der Friseur Wolf, Friseure wie den „Fränk“, den Salon Best oder Hüg, Milch Lahr, Kaisers Kaffee und die Krämerei Brücher, den Konsum, Kolonialwarenläden, Bäckereien wie Meyerhöfer oder Brücher, die Metzgereien Krug, Winter oder Rapp, die Zimmerei Traser, die Kohlenhandlung Völger und die Gärtnerei Grün, Kurzwaren Friedel Döll, das Schuhgeschäft „Braband“ oder das Bekleidungsgeschäft Stork.

    Nach und nach stellten die Höfe, auch die im Nebenerwerb, den Betrieb ein. Manche Scheune auf den Grundstücken wurde abgerissen. Die Mehrzahl der Geschäfte schloss für immer oder verlegte den Standort an die Frankfurter Straße, wie z.B. Schuh Hermann/Braband. Viele Gasthäuser machten an der Messeler Straße dicht.

    Geschäfts- und Schankräume wurden in Wohnraum umgewandelt. Man sieht es den Häusern heute vereinzelt noch an, wo ursprünglich ein Geschäftseingang oder ein Schaufenster war. Wie damals schon ist noch die Schreinerei Luther an der Messeler Straße zu finden. Der älteste Betrieb Arheilgens zog Ende der 30iger Jahre von der Hausnummer Messeler Straße72 in die Nummer 70.

    Zuvor hatte dort die jüdische Familie Simon ein Herren- und Damenkonfektionsgeschäft geführt. Jakob Simon verkaufte das Haus 1938 nach dem Novemberpogrom der Arheilger SA und weiteren Nazi-Schergen an seine Nachbarn. Den zwei Kindern der Familie gelang die Flucht aus Nazi-Deutschland. Jakob Simon und seine Frau wurden Anfang der 40er Jahre denunziert, ins Konzentrationslager verschleppt und ermordet.

    Tempo 30 für die „Messeler“

    In den 60er und 70er Jahren eroberten Kraftfahrzeuge den Straßenraum auf der innerörtlichen Hauptverbindungsstraße. So wie die Frankfurter Landstraße in Nord-Süd-Richtung wurden Jägertorstraße, Messeler und Weiterstädter Straße jedoch nicht nur vom innerörtlichen Verkehr belastet, sondern zunehmend zur Transitstrecke für LKWs. Durch den Bau der B3-Umgehung und die Teilverlagerung des LKW-Transitverkehrs auf den Martin-Luther-King-Ringe konnte der LKW-Verkehr ab 1999 etwas eingedämmt werden.

    In seinem Ruhestand engagierte sich Rudi jedoch gleich in einer Bürgerinitiative, die sich für Tempo 30 in der Messeler Straße stark machte. 2002 hob ein Gericht aufgrund einer Klage das für die Jägertor- und Messeler Straße festgelegte Tempo 30 wieder auf. Daraufhin wurden auch mit Hilfe von Spendenmitteln Schilder mit dem Zusatz „Freiwillig – Tempo 30“ aufgestellt.

    Optische Gasbremsen

    Als optische Gasbremse wirkten auf manche Autofahrer schließlich einige Veränderungen in der Messeler Straße, die sich im Zuge der Sanierung des Oarhelljer Ortskerns ergaben. Die in der Einfahrt der Messeler Straße stehende Schreiberpforte wurde mustergültig saniert. Die Offenlegung des Ruthsenbachs und die Neugestaltung der Bachstraße konnten 2006 abgeschlossen werden. Die Sanierer gestalteten auch den Bereich der alte Pferdeschwemme um. Viele weitere Häuser erhielten Farbe und ihr ursprüngliches Gesicht zurück. Streckenweise neu verlegtes Pflaster mit Parkbuchten verlangsamte die Durchfahrten in der Messeler Straße.

    Und Rudi Bohl lebt weiterhin mit seiner Frau in der Hausnummer 26, etwas abgeschirmt vom Straßenlärm durch ein hohes Grundstückstor und klassische Fensterläden. Sein Großvater hatte ihm als Kind die Fuhrwerke der Bauern und die Geschichte ihrer Familien vorgestellt. Dies weckte Rudis Interesse an der Arheilger Ortsgeschichte, vor allem an der Familiengeschichte. Rudi beteiligte sich an der Gründung des Geschichtsvereins. Aus seinen Erinnerungen und den Erinnerungen vieler bereits verstorbener Oarhelljer und Oarhelljerinnen entsteht ein Bild vom Wandel des Ortes und der Lebensweise – ohne diese zu verklären.

    (Große Grafik der Messeler und Fotos)

    BU: An der Ecke Bachstraße/Messeler Straße steht noch immer dieses Gebäude, in dem heute ein Friseurgeschäft beheimatet ist. In den 1920er Jahren befand sich dort in Arheilgen die erste Filiale des Lebensmittelhandels Schade &Füllgrabe. Das Foto zeigt Beschäftigte der Firma und oben am Fenster stehen der Lehrer Philipp Reinheimer und seine Frau Anna. Danach eröffnete dort das Textilgeschäft Stork. – (Foto: AGV)
    Der Ladenraum des Textilhandels Stork in der Dieburger Straße, heute: Messeler Str.17, in den 1930ger Jahren. Vorne steht der Textilhändler Heinrich Stork, dahinter seine Frau Anna, geb. Anthes, und im Hintergrund ihre Tochter Marie.- (Foto: AGV)
    In der Dieburger Straße 62 (heute Messeler Str. 70) befand sich das Herren- und Damen-Bekleidungsgeschäft der jüdischen Familie Simon. Anzeigen der Arheilger Geschäftsleute- wurden in der Arheilger Zeitung des jüdischen Verlegers Aaron Reinhardt veröffentlich. Das Geschäft der Simons wurde im Novemberpogrom 1938 verwüstet und danach verkauft. Den beiden Kindern der Familie gelang die Flucht. Jakob Simon und seine Frau Lina wurden 1942 verhaftet und in einem Konzentrationslager ermordet. – (Foto: AGV)
    BU: An der Ost-West-Achse Arheilgens lagen Werkstätten von Wagnern und Schmieden. Hier eine Innenansicht der Schmiede und Schlosserei Lücker in der Messeler Straße 28 aus dem Jahr 1959. – (Foto: AGV)